„Rundum gesund und fit, körperlich und geistig leistungsfähig“ sein, das wünschen sich wohl viele Menschen. Mit diesen Versprechen wirbt der Hersteller von „LaVita“ – doch ob das Produkt tatsächlich gesundheitliche Vorteile bringt, lässt sich mit den angeführten Studien nicht belegen.
Frage: | Fördert die Einnahme von LaVita die Gesundheit? | |
Antwort: | unklar | |
Erklärung: | LaVita ist ein Nahrungsergänzungsmittel, das der Hersteller mit einer ganzen Reihe von gesundheitsbezogenen Aussagen bewirbt. Die angeführten Studien sind jedoch nicht aussagekräftig, um diese Behauptungen tatsächlich belegen zu können. |
Ob Chia-Samen oder grüner Tee: Die Liste von Lebensmitteln mit angeblich gesundheitsfördernder Wirkung ist lang. So findet sich kaum eine Frauenzeitschrift ohne einen Beitrag zu „Super-Foods“, und im Internet tummeln sich viele Anbieter von Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln, die Verbrauchern einen gesundheitlichen Nutzen suggerieren. Dazu gehört auch der Anbieter von „LaVita“, zu dem uns eine Leseranfrage erreichte. Laut Hersteller handelt es sich bei LaVita um ein Konzentrat aus mehr als 70 verschiedenen Lebensmitteln. Dazu gehören hauptsächlich Obst, Gemüse, Kräuter und pflanzliche Öle, aber auch Aloe vera, grüner Tee, Stutenmilch und andere Produkte. Von diesem Konzentrat soll der Verbraucher täglich ein bis zwei Esslöffel in ein Glas Wasser einrühren und trinken.
Nötig für gesunde Ernährung?
Allerdings kann das Nahrungsergänzungsmittel kein Ersatz für eine gesunde Ernährung sein, wie ein Blick auf den Gehalt an Mikronährstoffen zeigt: Im Vergleich zu den Zufuhrempfehlungen der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) liefert LaVita zwar reichlich Vitamin C und B-Vitamine – sogar mehr, als es die ÖGE für nötig hält [3]. Von Vitamin D ist jedoch nur die Hälfte des Tagesbedarfs eines Erwachsenen enthalten, bei Iod ist es sogar nur ein Viertel. Spezielle Nährstoffergänzungen zusätzlich zu einer gesunden Ernährung mit fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag hält die ÖGE im allgemeinen nicht für nötig – außer in speziellen Situationen wie der Schwangerschaft oder bei bestimmten Erkrankungen [4]. Der letzte Ernährungsbericht von 2012 ist auch zu dem Ergebnis gekommen, dass bei den meisten Österreichern die Versorgung durchaus zufriedenstellend ist [5].
Wenn der Arzt keinen Vitaminmangel festgestellt hat, ist LaVita für eine gesunde Ernährung deshalb nicht nötig. Dass man sich mit dem Produkt schadet, ist allerdings ebenfalls unwahrscheinlich: Der Gehalt an Mikronährstoffen liegt in dem Nahrungsergänzungsmittel unterhalb der Höchstgrenzen, die die europäische Behörde für Arzneimittelsicherheit (EFSA) festgelegt hat [6]. Wer allerdings noch andere Nahrungsergänzungsmittel oder angereicherte Lebensmittel zu sich nimmt, sollte vorsichtig sein: Denn eine zu hohe Zufuhr von Mikronährstoffen kann auch schaden (siehe: Vitamintabletten: gesund oder gefährlich?).
Viele Mikronährstoffe – aber auch gesundheitsfördernd?
Die Webseite macht den Eindruck, als ob LaVita eine ganze Reihe von gesundheitlichen Effekten mit sich bringt. Ein genauer Blick zeigt jedoch, dass der Hersteller im wesentlichen argumentiert, dass einzelne Mikronährstoffe für bestimmte Bereiche der Gesundheit wichtig sind. Ein Beispiel: „Eisen, Folsäure, Magnesium, Niacin, Vitamin B2, Vitamin B12, Pantothensäure, Vitamin B6 und Vitamin C tragen zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei.“ Solche Aussagen sind nach der EU-Verordnung zu gesundheitsbezogenen Aussagen (Health-Claims-Verordnung) erlaubt. Die Voraussetzung dafür ist, dass die EFSA ein entsprechendes Gutachten erstellt und den Health Claim genehmigt hat. Welche Aussagen für welchen Mikronährstoff zulässig sind, lässt sich in einer Datenbank nachschlagen [7].
Allerdings beruhen diese Gutachten nicht immer auf den Prinzipien der evidenzbasierten Medizin: So ist etwa die Angabe erlaubt: „Folsäure trägt zur Reduzierung von Müdigkeit und Ermüdung/Erschöpfung bei“. Die Begründung der EFSA ist allerdings eher dünn. So heißt es in dem Gutachten, dass bei Folsäure-Mangel eine bestimmte Art der Blutarmut entstehen kann, die zu Symptomen wie Schwäche und Müdigkeit führt [8]. Das ist zwar richtig, allerdings muss es nicht an einem Folsäure-Mangel liegen, wenn man sich müde und erschöpft fühlt – dafür sind auch noch eine ganze Reihe von anderen Gründen denkbar. Und in diesen Fällen ist es nicht belegt, dass Folsäure hilft.
Erlaubt ist nicht belegt
Dass solche mechanistischen Überlegungen manchmal vollständig in die Irre führen können, zeigt das Beispiel Folsäure/B-Vitamine und erhöhte Blutwerte von Homocystein. Die EFSA erlaubt die Angabe „ Vitamin B6/B12/Folsäure trägt zu einem normalen Homocystein-Stoffwechsel bei“. Homocystein ist ein Stoffwechselprodukt, das die Blutgefäße schädigen kann, im Körper normalerweise aber mit Hilfe von Folsäure und anderen B-Vitaminen abgebaut wird. Hohe Homocystein-Werte im Blut gelten als Risikofaktor für Herz-Kreislauferkrankungen, denn in Studien haben Mediziner beobachtet, dass Menschen mit erhöhten Homocystein-Werten häufiger Herzinfarkte und Schlaganfälle erlitten [9]. Das bedeutet aber nicht automatisch im Umkehrschluss, dass eine Senkung der Homocystein-Werte mit Folsäure und/oder B-Vitaminen auch die Rate an Herzinfarkten oder Schlaganfällen senkt: Denn es gibt viele weitere Faktoren, die das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen, etwa Rauchen oder Diabetes. Eine aktuelle systematische Übersichtsarbeit hat Studien zusammengefasst, die den Einfluss von Folsäure und anderen B-Vitaminen auf Herz und Blutgefäße untersuchten. Das Ergebnis: Bei den Patienten sanken zwar die Homocystein-Werte im Blut. Allerdings erlitten die Patienten nicht seltener Herzinfarkte oder Schlaganfälle als Patienten, die lediglich ein Scheinmedikament eingenommen hatten [1]. Ein besonderer gesundheitlicher Nutzen lässt sich aus den erlaubten gesundheitlichen Angaben deshalb nicht ohne weitere kritische Prüfung ableiten.
Eigene Studien wenig aussagekräftig
Als Belege für den angeblichen gesundheitlichen Nutzen von LaVita führt der Hersteller auf der Webseite eigene Studien an. Auf Nachfrage von medizin-transparent erklärte der Hersteller, dass lediglich eine der Studien als Publikation in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift erschienen ist – die anderen Untersuchungen wurden also nicht durch andere Wissenschaftler begutachtet.
Ein Blick in die Publikation und auf die Webseite zeigt, dass die Studien wenig aussagekräftig sind: Eine Studie [2] untersuchte bei den Teilnehmern das Blut nach Einnahme von LaVita. Das Ergebnis: Die Blutspiegel von verschiedenen Vitaminen und Mineralstoffen waren nach sechs Monaten angestiegen. Doch waren die Teilnehmer weniger oft erkältet oder weniger müde? Das verrät die Studie nicht. Auch eine Untersuchung der „Lebendigkeit“ von LaVita ist mehr ein Marketing-Trick als eine aussagekräftige Studie [a]: Gemessen werden lediglich im Laborversuch die elektrochemischen Eigenschaften des Saftes, also die Fähigkeit, im Reagenzglas Elektronen abzugeben. Lässt sich daraus irgendeine Aussage über einen gesundheitlichen Nutzen beim Menschen ableiten? Wohl kaum. Gleiches gilt auch für die Messung der „antioxidativen Kapazität“ [b]. Die „Studie“ zur kurzfristigen Bioverfügbarkeit misst bei ganzen fünf Teilnehmern die Blutspiegel von Mikronährstoffen fünf Stunden nach der Einnahme von LaVita [c]. Aussage zum gesundheitlichen Nutzen? Fehlanzeige.
Raffiniertes Marketing
Die Webseite von LaVita ist sehr geschickt aufgezogen: Die Versprechungen zum gesundheitlichen Nutzen bewegen sich alle im Rahmen der Health-Claims-Verordnung. Ob sich das aber mit dem Eindruck deckt, den ein durchschnittlicher Verbraucher bekommt, ist fraglich. Dazu tragen auch die angeführten „Studien“ bei, die sich bei näherem Hinsehen aber nicht als sonderlich aussagekräftig entpuppen. Auch Schlagwörter wie „Natur“, „wissenschaftlich untersucht“, der Bezug auf Experten und Professoren sowie eine Anmutung der Rubriken wie im Beipackzettel von Arzneimitteln („Wirkungsweise“, „Anwendungsbereiche“, „Studienergebnisse“) sollen den Verbraucher von dem Saft überzeugen, für den der Hersteller einen stolzen Preis verlangt. Ob LaVita einen Nutzen hat, der über den einer gesunden Ernährung mit Obst und Gemüse hinaus geht, bleibt unklar.
Die Studien im DetailDie LaVita-Studien im Detail Studie der Universität Wien [2]Studie mit 152 gesunden Probanden: Über einen Zeitraum von sechs Monaten erhalten 116 der Teilnehmer täglich zweimal zehn Milliliter LaVita, 43 Studienteilnehmer bekommen ein Scheinpräparat aus Apfel-, Orangen- und Rote-Beete-Saft mit Fruchtzucker und Wasser. . Zu Beginn der Studie sowie nach drei und sechs Monaten werden die Blutspiegel verschiedener Mikronährstoffe gemessen, außerdem diverse Biomarker wie Cholesterol oder Homocystein. In der Publikation findet sich die Angabe, dass die Teilnehmer auf die beiden Gruppen zufällig (randomisiert) zugeteilt wurden und weder Patienten noch die beteiligten Ärzte wussten, welcher Patient welches Präparat erhält („doppelblind“). Wie genau Randomisierung und Verblindung erfolgten, ist nicht im Detail beschrieben. Deshalb lässt sich auch nicht überprüfen, ob die Studie in diesen Aspekten methodisch sauber ist. Auffällig ist jedoch, dass rund 16 Prozent der Teilnehmer mit Scheinpräparat und rund neun Prozent der Teilnehmer in der LaVita-Gruppe die Studie vorzeitig abbrachen. Gründe dafür werden nicht angegeben. In der LaVita-Gruppe scheinen sich die Blutspiegel stärker zu verändern als in der Gruppe mit dem Scheinpräparat. Ob es sich dabei um tatsächliche Unterschiede oder zufällige Effekte handelt, ist angesichts der etwas fragwürdigen statistischen Auswertemethode jedoch unklar. Aussagen zu patientenrelevanten Endpunkten lassen aus dieser Studie jedenfalls nicht ableiten. [a] „BEV-Analyse“Gemessen wird angeblich die „Lebendigkeit und die Wertigkeit“ des Nahrungsergänzungsmittels. Nach Angabe eines Herstellers entsprechender Messgeräte [10] werden dabei lediglich im Laborversuch die elektrochemischen Eigenschaften von Lebensmitteln bestimmt, also die Fähigkeit, Elektronen abzugeben. Verlässliche Aussagen zum gesundheitlichen Nutzen im menschlichen Organismus lassen sich damit nicht machen. [b] Kurzfristige BioverfügbarkeitIn der Studie wurden die Blutspiegel von verschiedenen Mikronährstoffen bei fünf Probanden im Zeitraum bis zu fünf Stunden nach der Einnahme von LaVita gemessen. Die Studie ist nicht dazu geeignet, einen möglichen gesundheitlichen Nutzen zu belegen (vergleiche [2]) . [c] Antioxidative KapazitätAuch bei dieser „Studie“ handelt es sich um eine Laboruntersuchung zu den elektrochemischen Eigenschaften des Nahrungsergänzungsmittels. Zwar wird vermutlich eine andere Methode als bei [a] verwendet, doch fehlt ebenfalls die Aussagekraft zum gesundheitlichen Nutzen. |
(Autoren: I. Hinneburg, B. Kerschner, C. Christof)
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Information zu den wissenschaftlichen Studien
[1] Marti-Carvajeal 2015
Studienart: Systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 12 randomisiert-kontrollierte Studien
Teilnehmer insgesamt: 47.429 Patienten mit Risikofaktoren oder vorbestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Fragestellung: Nutzen und Schaden der Zufuhr von Vitamin B6, B12 und/oder Folsäure (beliebige Dosierung und Verabreichungsweg). Primäre Endpunkte: Rate an tödlichen oder nicht-tödlichen Herzinfarkten oder Schlaganfällen.
Mögliche Interessenskonflikte: Zwei der Autoren geben keine Interessenkonflikte an; ein Autor hat Honorare von zwei Pharmafirmen erhalten, die jedoch nicht im Zusammenhang mit dem Thema der systematischen Übersichtsarbeit stehen.
Marti-Carvajeal AJ et al, Homocysteine-lowering interventions for preventing cardiovascular events. CD 006612, 2015. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)
[2] Muss u. a. (2015)
Studienart: Randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmer insgesamt: 159 gesunde Freiwillige (57 Männer und 102 Frauen)
Fragestellung: Wie verändern sich durch die regelmäßige Einnahme von LaVita die Blutspiegel an bestimmten Mikronährstoffen und Biomarkern?
Interessenkonflikte: Die Autoren geben nicht explizit an, dass Interessenkonflikte bestehen. Die Studie wurde jedoch vom Hersteller finanziert und organisiert durch einen Forschungsverbund, der sich für die vermehrte Einnahme von Mikronährstoffen einsetzt.
Muss C et al. Neuroprotective impact of a vitamin trace element composition – a randomized double blind, placebo controlled clinical trial with healthy volunteers. Neuro Endocrin Lett 2015; 36(1):31-40 (Zusammenfassung der Studie)
Weitere Quellen
[3] Österreichischen Gesellschaft für Ernährung
Zufuhrempfehlungen. Abgerufen am 15. 9. 2015 unter http://www.oege.at/index.php/bildung-information/nahrungsinhaltsstoffe/2-uncategorised/1121-nahrungsinhaltstoffe-vitamine-mineralstoffe
[4] Österreichische Gesellschaft für Ernährung
Nahrungsergänzungsmittel. Abgerufen am 15. 9. 2015 unter http://www.oege.at/index.php/bildung-information/ernaehrung-von-a-z
[5] Bundesministerium für Gesundheit (2012)
Ernährungsbericht Österreich 2012. Abgerufen am 15. 9. 2015 unter http://ernaehrungsbericht.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/dep_ernaehrung/forschung/ernaehrungsberichte/oesterr_ernaehrungsbericht_2012.pdf
[6] Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA (2006)
Zulässige Zufuhrmengen für Vitamine und Mineralstoffe. Abgerufen am 15. 9. 2015 unter http://www.efsa.europa.eu/sites/default/files/assets/ndatolerableuil.pdf
[7] Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA
Datenbank der EFSA für gesundheitsbezogene Aussagen (Health Claims) für Inhaltsstoffe von Lebensmitteln. Abgerufen am 15. 9. 2015 unter http://ec.europa.eu/nuhclaims
[8] Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA
Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to folate (2010) Abgerufen am 15. 9. 2015 unter http://www.efsa.europa.eu/sites/default/files/scientific_output/files/main_documents/1760.pdf
[9] Welch G et al. (1998)
Homocysteine and Atherothrombosis. NEJM 1998; 338:1042-50, (Zusammenfassung)
[10] GM GesundheitsManufaktur GmbH
Abgerufen am 15. 9. 2015 unter http://www.gesundheitsmanufaktur.de/med-tronik-/be-t-a-bioelektronische-terrain-analyse-mt-732-nach-prof.-vincent