Mit dem Älterwerden kommt es oft zu schmerzhaften Gelenksabnutzungen: Können diese durch Nahrungsergänzungsmittel gelindert werden? MSM ist ein Kandidat dafür.
Frage: | Hilft das Nahrungsergänzungsmittel MSM bei Arthrose? | |
Antwort: | möglicherweise Ja | |
Erklärung: | Es gibt Hinweise auf eine mögliche positive Wirkung von MSM bei Arthrose. Es ist allerdings nicht sehr gut belegt, inwiefern diese in Studien entdeckten Effekte auch im Alltag der Patienten spürbar und nachhaltig sind. |
Es soll nicht nur Pferden auf die Sprünge helfen: Methylsulfonylmethan, kurz MSM genannt. Die organische Schwefelverbindung gibt es rezeptfrei als Nahrungsergänzungsmittel zu kaufen. Die Einnahme von MSM-Kapseln soll bei diversen Leiden helfen, zum Beispiel bei einer Arthrose.
Diese Erkrankung wird auch „Gelenksverschleiß˝ genannt. In Mitleidenschaft gezogen sein können etwa Knie, Hüften, Finger, Schultern und die Wirbelsäule. Das Knorpelgewebe dieser Gelenke ist abgenutzt.
Schmerzen, Schwellungen, Entzündungen und Bewegungseinschränkungen zählen zu den möglichen Folgen einer Arthrose. Eine heilende Behandlung gibt es für diese häufige chronische Erkrankung derzeit nicht. Als Therapie werden zum Beispiel Medikamente, Operationen und Bewegungsprogramme eingesetzt. [4] [5]
Schwefeltherapie sinnvoll?
Auch das Nahrungsergänzungsmittel MSM soll Arthrose-Geplagten helfen. Aber: Ist die Einnahme überhaupt sinnvoll? Schließlich steckt Schwefel in unserer Nahrung, zum Beispiel in Nüssen, Eiern und bestimmten Gemüsesorten. Bei ausgewogener Kost sollte Schwefel – ein wichtiger Baustein der Gelenksknorpel – eigentlich in ausreichender Menge aufgenommen werden.
Wir haben uns auf die Suche nach Literatur zum Thema gemacht. Gibt es gut gemachte Studien zu MSM? Lindert es Arthrose-typische Beschwerden? Kann es das Fortschreiten der Krankheit bremsen und die Lebensqualität verbessern?
Unser Fazit
Stellt man hohe Qualitätsansprüche, liefert kaum eine Studie wirklich handfeste Aussagen. Wir können daher nicht bestätigen, dass MSM bei Arthrose eine starke und nachhaltige positive Wirkung hat. Möglicherweise gibt es jedoch gewisse Effekte, wenn auch die Studienlage noch einigermassen dürftig ist.
Zusammengefasst hat unsere Recherche im Dezember 2015 ergeben:
• Bisher wurden nur wenige Studien mit menschlichen Probanden zum Thema durchgeführt.
• Es gibt in der Statistik dieser Studien einige Hinweise darauf, dass MSM bei gewissen Gelenksbeschwerden helfen kann.
• Es ist nicht immer gut geklärt, ob diese positiven Effekte auch klinisch signifikant sind. Das heißt, es ist meist nicht deutlich, ob die Verbesserungen im Leben der Betroffenen wirklich spürbar und langfristig haltbar sind.
• Wir wissen nicht, in welcher Dosis oder über welchen Zeitraum das Mittel idealerweise eingenommen werden sollte.
• Auch zur Langzeitsicherheit fehlen verlässliche Daten.
Als wohl eher milde Nebenwirkungen sind allergische Reaktionen, Magen-Darm-Probleme und Hautausschläge bekannt. [6]
Fakten schaffen durch bessere Studien
Es gibt also noch viele offene Fragen. Weitere Studien von guter Qualität könnten Fakten schaffen in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit von MSM bei Arthrose. Vielleicht ist MSM nur für bestimmte Personengruppen geeignet, oder es ist eher wirksam in Kombination mit anderen Mitteln. Wichtig wäre natürlich auch zu eruieren, welche Dosis einerseits wirksam und gleichzeitig sicher ist.
Gut gemachte Studien sollten beispielsweise eine Beobachtungsdauer von etlichen Monaten haben und nicht schon nach wenigen Wochen beendet sein. Ein Teil der Probanden, die Kontrollgruppe, sollte kein MSM erhalten.
Das Zufallsprinzip, die so genannte Randomisierung, sollte darüber entscheiden, wer in der „echten˝ MSM-Gruppe und wer in der MSM-freien Kontrollgruppe ist. Die Patienten in der Kontrollgruppe erhalten ein Placebo-Präparat oder ein Medikament mit bereits bekannter Wirkung. Diese Kontrollgruppe ist wichtig, um Placeboeffekte zu entdecken oder um Vergleiche zu etablierten Therapien ziehen zu können.
Die Probanden sollten nicht wissen, welcher Gruppe sie angehören. Auch die Behandler sollten diesbezüglich „blind˝ sein. Diese doppelte Verblindung senkt das Risiko von unerwünschten Verzerrungen – und erhöht somit die Aussagekraft einer Studie.
Hoher Bedarf an Klärung
Mehr gute Studien rund um MSM wären durchaus relevant. Denn viele Menschen beziehen MSM über den Onlinehandel. Manche von ihnen diskutieren in Social-Media-Gruppen diverse Einsatzmöglichkeiten, gespickt mit verheißungsvollen Fallberichten. Die vermuteten Wirkungen reichen von erstaunlichem Haarwuchs bis hin zu erotischen Träumen!
Doch nicht nur Laien interessieren sich für Methylsulfonylmethan. Auch einige Wissenschaftler haben MSM in den letzten Jahren getestet und über verschiedene Einsatzgebiete spekuliert. In vorerst wenig aussagekräftigen Studien wurde beispielsweise untersucht, ob die Schwefelverbindung bei Schnarchen, Hautproblemen und Heuschnupfen helfen kann oder ob sie bei der Regeneration nach dem Sport wirksam ist.
Chronisch Kranke wollen Alternativen
Doch zurück zur Arthrose: Das Bedürfnis nach Komplementär- und Alternativmedizin ist bei Patienten mit chronischen Gelenksbeschwerden ziemlich hoch und durchaus verständlich.
Schließlich ist das dauerhafte Schlucken von Medikamenten nicht jedermanns Sache. Und die gängigen Mittel gegen Schmerzen und Entzündungen sind nicht nebenwirkungsfrei.
Bei der Suche nach Alternativen ist den Betroffenen oft der Rat von Freunden, Familienmitgliedern und Behandlern wichtiger als die – nicht immer leicht durchschaubare – wissenschaftliche Faktenlage. [7]
Das Bedürfnis nach alternativmedizinischen Behandlungsformen spiegelt sich auch in einigen früheren Beiträgen von medizin-transparent.at wider. Hier haben wir über den Einsatz von pflanzlichen Mitteln und Nahrungsergänzung bei Arthrose und rheumatoider Arthritis, kurz Rheuma, berichtet:
http://www.medizin-transparent.at/arthrose-pflanzliche-mittel
http://www.medizin-transparent.at/teufelskralle-arthrose
http://www.medizin-transparent.at/rheuma-tripterygium-wilfordii
http://www.medizin-transparent.at/rheuma-linderung-durch-fischoel-fragwuerdig
Die Studien im DetailIn einer systematischen Übersichtsarbeit [1] wurden zwei Studien mit einer Laufzeit von jeweils zwölf Wochen ausgewertet. Teilnehmer waren insgesamt 168 Frauen und Männer mit Knieproblemen; 52 von ihnen erhielten MSM. Es wurden zwar positive Effekte wie Schmerzreduktion verzeichnet. Gleichzeitig warnten die Autoren vor allzu großer Euphorie, weil die beiden ausgewerteten Studien einige Mängel aufwiesen. Mehr Sorgfalt bei der Datenerhebung und beim Untersuchungsdesign seien künftig notwendig. Durch neuere Studien haben sich weitere Hinweise aufgetan, die für eine gewisse positive Tendenz sprechen. So wurde auch in einer randomisiert-kontrollierte Untersuchung aus 2011 [2] über Verbesserungen berichtet. Inwiefern die positiven Effekte aus dieser ebenfalls nur zwölfwöchigen Studie mit 94 Knie-Arthrose-Patienten eine wirkliche Veränderung im Leben der Patienten „da draußen˝ darstellen, wollten die Autoren nicht abschließend beurteilen. Dafür seien längere Studien mit mehr Patienten notwendig. Eine längere Studie von 26 Wochen wurde dann tatsächlich im Sommer 2014 veröffentlicht [3]. Hundert Patienten nahmen an dieser randomisierten und doppelt-verblindeten Studie teil, und die Autoren berichteten von deutlichen Verbesserungen – offenbar hat sich auch hier der Trend aus den vorangegangenen Studien wiederholt. Etwas skeptisch machten uns einige formale Einschränkungen wie beispielsweise nicht lesbare Daten zur Schmerzreduktion in der Ergebnistabelle. Auch sind die weiter oben erwähnten kritischen Autoren, die auf diesem Gebiet bereits Vorarbeit geleistet haben, in diesem Aufsatz nicht weiter erwähnt. Weiters bleiben bei dieser Studie die Verbesserungen für die Placebogruppe hinter den Erwartungen. Die Autoren selbst schreiben vom Pilotcharakter ihrer Untersuchung und empfehlen weitere Studien. |
(Autoren: J. Harlfinger, J. Wipplinger, C. Christof)
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Information zu den wissenschaftlichen Studien
[1] Brien u.a. (2008)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 6 randomisiert kontrollierte Studien, 2 davon zu MSM
Teilnehmer insgesamt: 168 Personen mit Knie-Arthrose bei MSM-Studien
Fragestellung: Helfen die Nahrungsergänzungsmittel DMSO und MSM bei Arthrose?
Interessenskonflikte: keine bekannt
Brien S, Prescott P, Bashir N, Lewith H, Lewith G.
Systematic review of the nutritional supplements dimethyl sulfoxide (DMSO) and methylsulfonylmethane (MSM) in the treatment of osteoarthritis.
Osteoarthritis Cartilage. 2008 Nov;16(11):1277-88.
Zusammenfassung
[2] Debbi u.a. (2011)
Studientyp: randomisiert kontrollierte und doppelt verblindete Studie
Teilnehmer: 49 Patienten mit Knie-Arthrose
Fragestellung: Hilft das Nahrungsergänzungsmittel MSM bei Arthrose des Knies?
Interessenskonflikte: keine bekannt
Debbi EM, Agar G, Fichman G, Ziv YB, Kardosh R, Halperin N, Elbaz A, Beer Y, Debi R.
Efficacy of methylsulfonylmethane supplementation on osteoarthritis of the knee: a randomized controlled study. BMC Complement Altern Med. 2011 Jun 27;11:50.
Zusammenfassung
[3] Pagonis u.a. (2014)
Studientyp: randomisiert kontrollierte und doppelt verblindete Studie
Teilnehmer:Fragestellung: Hilft das Nahrungsergänzungsmittel MSM bei Arthrose des Knies?
Interessenskonflikte: keine bekannt
Thomas A Pagonis, Panagiotis A Givissis, Aristidis C Kritis, Anastasios C Christodoulou. The Effect of Methylsulfonylmethane on Osteoarthritic Large Joints and Mobility. International Journal of Orthopaedics. 2014 June 23 1(1): 19-24.
Volltext
Weitere wissenschaftliche Quellen
[4] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (2014) Arthrose, abgerufen am 23.12.2015
[5] National Institutes of Health, National Center for Complementary and Alternative Medicine (2014)
Osteoarthritis and Complementary Health Approaches. Get the facts.
abgerufen am 23.12.2015
[6] National Institues of Health, NIH (2015)
Dimethyl Sulfoxide (DMSO) and Methylsulfonylmethane (MSM) for Osteoarthritis
abgerufen am 23.12.2015
[7] Tsui u.a. (2012)
Tsui T, Boon H, Boecker A, Kachan N, Krahn M. Understanding the role of scientific evidence in consumer evaluation of natural health products for osteoarthritis an application of the means end chain approach. BMC Complement Altern Med. 2012 Oct 30;12:198.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23107559